Foracheim 1248- Alltagsleben im mittelalterlichen Regnitztal
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Foracheim 1248- Alltagsleben im mittelalterlichen Regnitztal
 

Material+Methoden

Auf dieser Seite fasse ich einige Aspekte hoch- und spätmittelalterlicher Schuhe schlaglichtartig zusammen, wobei hier auf den Zeitraum von 1200 bis 1500 fokussiert wird. Hauptquelle hierfür sind die Arbeiten von C. Schnack zu den Fundkomplexen in Schleswig und Konstanz. Alle Aussagen sind als Mehrheitsbeobachtungen zu verstehen, keine dogmatischen Thesen. Sicherlich kann es im Einzelfall Abweichungen zu diesen Aussagen gegeben haben.

Grundprinzipien mittelalterlicher Schuhe

Mittelalterliche Schuhe sind in der Regel wendegenäht, d.h. auf links genäht und am Ende der Verarbeitung umgestülpt. Der Vorteil dieser Technik liegt in einer robusten und wasserdichten Verbindung zwischen den Lederstücken ohne die Verwendung zusätzlicher Lederschichten wie beim späteren rahmengenähten Schuh. Der Nachteil ist stets, dass eine einfache Sohle zunächst nur eine limitierte Steifigkeit aufweisen kann, da sie sonst nicht gewendet werden kann. Auch der Formgebung und der Verzierung des Oberleders sind durch diese Technik Grenzen gesetzt.

Beim Nähen kann ein Leisten verwendet werden - entweder zum Formen des bereits gewendeten Schuhs oder beim Nähen selbst. Bei letzterer Technik wird die Sohle zunächst auf den Leisten genagelt und dann das Oberleder sukzessive angenäht. Allerdings zeigen archäologische Sohlenfunde des Hoch- und Spätmittelalters beide Typen: Sohlen mit und ohne Nagellöcher. Es ist also davon auszugehen, dass beide Techniken nebeneinander koexistierten, wobei mit der quasi-manufakturellen Serienproduktion des städtischen Spätmittelalters die Fertigung auf Leisten zur Regel werden dürfte. Abbildungen und archäologische Funde von Leisten existieren im gesamten betrachteten Zeitraum.

Die Arbeitsschritte beim Nähen eines wendegenähten Halbschuhs habe ich in einer Schuhbauanleitung zusammengefasst. Mehr zur Nahttechnik weiter unten.

Materialien

Die hier behandelten Wendeschuhe bestehen prinzipiell zunächst aus Leder, also aus gegerbter Tierhaut. Für die Gerbung kamen verschiedene Verfahren zum Einsatz, wobei die auf meiner Seite gezeigten Schuhbeispiele in der Regel aus Leder bestehen, das unter Verwendung des üblichsten Verfahrens, der vegetabilen Gerbung, erzeugt wurde.

Sohlen wurden üblicherweise aus einem etwas dickeren, standigen Rindsleder hergestellt.
Beim Oberleder gibt es da schon mehr Varianten: Grundsätzlich kann zwischen zwei Gruppen unterschieden werden, die im Fundgut etwa gleich oft vorkommen und sich abhängig vom Schuhmodell im Anteil unterscheiden können: Bovinaeleder, also Rind oder Kalb, sind besonders dann zu bevorzugen, wenn der Schuh großen Beanspruchungen ausgesetzt wird, also bei Arbeitsstiefeln. Caprinaeleder, also Schaf oder Ziege, ist weicher und damit weniger belastbar, dafür aber bequemer im Tragekomfort. Daher wurden einige Halbschuhtypen bevorzugt aus solchem Leder gefertigt.

Spezielle Schuhe des Mittelalters verwenden darüber hinaus jedoch auch textile Materialien, z.B. im liturgischen Bereich. Oft wurde dabei das Leder mit dem Stoff bezogen.

Als Nähmedium ist in der Regel mit pflanzlichen Fasern zu rechnen - überwiegend also Leinen- oder Hanfgarn, das durch Wachsen/Pichen und Zwirnen zum sogenannten Schusterdraht wird.

Nähtechnik

Beim Nähen von Leder wird in der Regel mit einem spitzen metallischen Werkzeug, der Ahle, dem Pfriem, dem Dorn oder wie auch immer es sonst genannt wird, vorgestochen. Dann ist es ein Leichtes, das Nähmedium unter Verwendung einer geeigneten Einfädelhilfe durch das vorgestochene Loch zu führen.

Beim wendegenähten Schuh des betrachteten Zeitraums kommt eine Reihe verschiedener Nahttechniken zum Einsatz:
  • Die Verbindung von Sohle und Oberleder erfolgt durch einen Fleisch-Kante-Stich in der Sohle und einen Fleisch-Narben-Stich im Oberleder. Will heißen, das Oberleder wird komplett durchstochen, die Sohle aber nur seitlich zur Kante hinaus. Dadurch wird sicher gestellt, dass die Naht nach dem Wenden komplett im Inneren verläuft. Zur Erhöhung der Robustheit wird hier eine Sattlernaht verwendet, d.h. es wird gegenläufig mit zwei Nadeln gearbeitet.
  • Stoßkanten im Oberleder werden in der Regel ebenfalls mit Sattlernaht in Fleisch-Kante-Technik verbunden, so dass auch hier von außen kein Faden zu sehen ist.
  • Applikationen auf der Innenseite des Oberleders (Hinterkappen, Seitenverstärkungen, Verschlussverstärkungen) werden komplett innerhalb des Schuhs gearbeitet, d.h. im Oberleder als Fleisch-Fleisch-Stich und in der Applikation selbst überwändlich durchgestochen.
  • Schaftrandeinfassungen erfordern je nach Typ verschiedene Nahttechniken.

Werkzeuge

Eine Repliken mittelalterlicher Werkzeuge zur Schuhherstellung finden Sie unter Werkzeug. Grundwerkzeuge zur mittelalterlichen Schuhherstellung sind (so z.B. zu finden in den Abbildungen der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung):
  • Messer zum Schneiden des Leders und des Garns, z.B. als Halbmondmesser
  • Schere zum Schneiden des Drahtes
  • Ahlen/Pfrieme zum Vorstechen des Leders
  • Nähwerkzeug zum Durchfädeln des Drahts durch die vorgestochenen Löcher
Das verwendete Nähwerkzeug stellt heute einen der großen unklaren Punkte bei der Bewertung der Arbeitsweise von mittelalterlichen Schuster dar. Folgt man der neuzeitlichen Tradition, so ist von der Verwendung von flexiblen Schweineborsten als Einfädelhilfe auszugehen - und daher findet sich diese These in vielen Veröffentlichungen zu diesem Thema.

Dagegen spricht jedoch, dass sich der mittelalterliche Wendeschuh in seiner Fertigungstechnik von den neuzeitlichen Schuhen unterscheidet und hier mit einer nicht flexiblen stumpfen Nadel sehr gute Ergebnisse erzielt werden können. Einige Abbildungen aus der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung zeigen Objekte, die offenbar metallisch sind, als Einfädelhilfe. Nadeln sind aus der Textilproduktion bekannt und können bei vorgestochenen Löchern im Leder ohne Probleme verwendet werden.

Daher bewerte ich die Frage nach der Verwendung von Nadeln oder Borsten bei der mittelalterlichen Fertigung von Schuhen bisher als ungeklärt. Zu Hinweisen für die eine oder andere Methode bin ich aber jederzeit dankbar.

Sohlen

Generell gilt: Bei mittelalterlichen Schuhen unterscheiden sich in der Regel linke und rechte Sohle! Einheitsschuhe für beide Füße sind eine neuzeitliche Entwicklung aus Zeiten großer Heere mit Uniformierung.

Bei der Sohlenform existiert eine bunte Vielfalt, insbesondere in der Ausformung der Zehenpartie, die rund, oval oder spitz zulaufen sein konnte. Grundsätzlich ist jedoch eine Taillierung der Sohlen im Mittelfußbereich zu beobachten, was der allgemeinen Vorgehensweise entspricht, Wendeschuhe der natürlichen Fußform anzupassen.

In der Regel wurden einfache Sohlen getragen. Oft wurde jedoch in die Sohlennaht ein Randstreifen eingelegt, sei es nur in Fersen- und/oder Spitzenpartie oder entlang des gesamten Schuhs. Ein solcher Randstreifen ermöglicht die Anbringung einer zweiten Sohle oder entsprechender Sohlenteile von außen, ohne den eigentlichen Schuh verändern zu müssen. Diese Technik kann als Übergangstechnik zum rahmengenähten Schuh angesehen werden.

Darüber hinaus existieren einige - allerdings als selten einzustufende - Spezialfälle: Innensohlen wie bei diesem Beispiel wurden direkt in die Sohlennaht eingearbeitet. Gestückelte Sohlen sind eher als eine Folge der Materialoptimierung denn als zielgerichtete Technik zu betrachten.

Verstärkungen des Oberleders

Es gibt verschiedene Gründe zur Verstärkung des Oberleders durch Dopplung des Materials:
  • Fersenkappen/Hinterkappen versteifen das Oberleder an der Hinterseite des Schuhs und verhindern dadurch ein vorzeitiges Übertreten des Trägers und damit ein unnötiges Aufscheuern von Oberleder und Naht.
  • Verschlussverstärkungen doppeln das Oberleder in Bereichen, wo Riemchen durch das Oberleder geführt werden müssen und verhindern dort ein frühzeitiges Aufscheuern der Ösen.
  • Seitenverstärkungen erfüllen eine ähnliche Rolle wie Hinterkappen.
  • Weitere Verstärkungen können z.B. durch Fütterungen oder im Bereich der Fußbeuge erfolgen.
Schaftrandeinfassungen

Zur Formgebung und Versteigung des Schuhs im oberen Bereich wurden oft Schaftrandeinfassungen verwendet, d.h. zusätzliche Lederstreifen. Hier dominieren zwei Grundtechniken: Die häufigere und robustere Variante ist die Verwendung eines gefalteten Lederstreifens, wie im gezeigten Beispiel hinter dem Link. Ebenfalls weit verbreitet ist aber auch das Annähen eines Lederstreifens mit einer einfachen Stoßnaht, was einen geringeren Arbeitsaufwand bei geringerer Wirkung zur Folge hat. Seltener wurde ein gefalteter Lederstreifen mit durchgehenden Stichen als Schaftrandeinfassung verwendet.

Stand 14.04.2011 20:30:23 Uhr